Nahrungs-Ergänzungsmittel und ihre Wirkung bei ADHS – alles nur Geldmacherei oder doch sinnvoll?

 

In den letzten 20 Jahren sind einige wissenschaftliche Studien veröffentlicht worden, die auf die Bedeutung von bestimmten Nahrungsergänzungsmitteln, insbesondere von ungesättigten Fettsäuren, in der Behandlung von ADS/ADHS hinweisen.

In der Nahrung sind die ungesättigten Fettsäuren vor allem in Fischölen enthalten. Die Ernährungsgewohnheiten vieler Kinder, vor allem mit ADHS, zeigen eine erschreckende Unausgewogenheit mit der Folge zu niedriger Omega-3- und Omega-6- Fettsäurewerte im Blut.

Die Gefahr niedriger Blutspiegel dieser Stoffe besteht vor allem bei den Kindern, die mit den Standardpräparaten Methylphenidat/Atomoxetin behandelt werden und darunter mit Appetitstörungen reagieren. Hier ist der Einsatz geeigneter Kombinationspräparate, die zusätzlich wichtige Vitamine und Spurenelemente enthalten, erst recht notwendig. Sie können dementsprechend über nebenwirkungsfreie Fertigpräparate aufgenommen werden.

Auch wenn die Verbraucherzentrale Bayern betont, dass es noch keine wirklich gesicherten Erkenntnisse zu den vielfältigen Nahrungsergänzungsmitteln (NEM), die nicht dem Arzneimittelgesetz unterliegen, gibt, so zeigen die von mehreren Zentren durchgeführten Untersuchungen zum Thema langkettiger, ungesättigter Fischölfettsäuren, Magnesium und Zink doch eine gewisse Wirkung auf die typische Symptomatik bei ADHS/ADS (Ablenkbarkeit, wechselnde Merkfähigkeit, erhöhte Impulsivität/Flüchtigkeitsfehler, chaotische Lebensführung, Hyperaktivität). Allerdings wird auch immer wieder darauf hingewiesen, dass weitergehende, speziellere Untersuchungen notwendig sind. Bei den Herstellern solcher Präparate handelt es sich in der Regel um kleine Firmen, für die das, was die Wissenschaftler fordern, nämlich sogenannte Doppelblindstudien, bei denen weder der Arzt noch der Patient wissen, was sie im Rahmen einer Studie verordnen bzw. erhalten, aus finanziellen Gründen nicht machbar sind. Hier wären aus unserer Sicht die Universitätskliniken gefragt, die quasi im staatlichen Auftrag entsprechende Präparate überprüfen. Bis dahin gilt aus unserer Sicht Folgendes:

  • Prinzipiell ist einem NEM immer eine ausgewogene Ernährung vorzuziehen (i. S. von Meeresfisch 3-4x/Woche, Hülsenfrüchte, Milchprodukte täglich und Obst 4-5x/Tag). Leider folgen viele Kinder nicht diesen Empfehlungen.
  • Eine Verbesserung der Versorgung speziell mit Omega-3 und Omega-6-Fettsäuren scheint einigen Studien zufolge sinnvoll, da die untersuchten Probanden mit ADHS durchwegs zu niedrige Omega-3-Blutwerte gehabt haben.
  • Bei Patienten, die unter der gängigen Medikation über Appetitschwierigkeiten klagen, ist die Zufuhr von sinnvoll zusammengesetzten Nahrungsergänzungsmitteln erst recht zu empfehlen.
  • Die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln ist auch bei leicht bis mittelgradig ausgeprägter ADHS/ADS-Symptomatik empfehlenswert, wenn der Einsatz der gängigen Psychopharmaka nicht notwendig erscheint oder nicht gewünscht wird.
  • Möglicherweise gelingt es mit dem Einsatz der Nahrungsergänzungsmittel auch, die Dosis dieser Medikamente zu verringern.

Der Einsatz von Alternativpräparaten kommt den Wünschen der meisten Patienten entgegen. Die Eltern sind dankbar, dass man nicht gleich zur „chemischen Keule“ greift, die Compliance nimmt deutlich zu und sollte es später doch noch zur Verordnung von Methylphenidat resp. Atomoxetin kommen, wissen die Eltern, dass die Ärzte vorher jede andere erfolgversprechende Maßnahme ausprobiert haben.Zusammengefasst: im Sinne des gängigen multimodalen (Mehrebenen-)Vorgehens kann vor allem ungesättigten Fischölfettsäuren und Zink eine Bedeutung dahingehend eingeräumt werden, dass sie zu einer Verbesserung der Gesamtsymptomatik beitragen können. Wir halten daher den Einsatz entsprechender NEM für sinnvoll, wenn er ärztlich begleitet und zunächst für einen begrenzten Zeitraum angesetzt wird (in der Regel sechs Monate). Besonders geeignet scheint uns ein NEM i. S. einer ergänzenden bilanzierten Diät, die für eine ausgewogene Zusammensetzung der Präparate steht.Als Beispiel für ein geeignetes Präparat haben wir uns Concentrix geprüft, das von Kranich-Pharma vertrieben wird.

Zusammensetzung von Concentrix®

Inhaltsstoff

in 2 Kapseln

in 4 Kapseln

in 100 g

Fischöl

472 mg

944 mg

38,7 g

Davon DHA

172 mg

344 mg

14,1 g

Davon EPA

86 mg

172 mg

7,1 g

Vitamin E

20 mg

40 mg

1,64 g

Vitamin B1

0,6 mg

1,2 mg

49,2 mg

Vitamin B2

0,6 mg

1,2 mg

49,2 mg

Vitamin B6

0,4 mg

0,8 mg

32,8 mg

Folsäure

0,2 mg

0,4 mg

16,4 mg

Vitamin B12

2 µg

4 µg

164 µg

Magnesium

134 mg

268 mg

10,99 mg

Zink

3 mg

6 mg

246 mg

Selen

20 µg

40 µg

1640 µg

Eisen

2,4 mg

4,8 mg

196,8 mg

Beta-Carotin

1 mg

2 mg

82 mg

 

Dosierungsempfehlung

Allgemein wird angegeben, dass im Kindes- und Jugendalter 500 bis 1500 mg Omega- Fettsäuren pro Tag aufgenommen werden sollten. Zwei Kapseln Concentrix®

entsprechen 472 mg Fischöl (davon DHA 172 mg, EPA 86 mg), was bei einer regelmäßigen und halbwegs ausgewogenen Ernährung als Ergänzung ausreichend erscheint. Bei massiven Appetitstörungen oder Mangelernährungen halten wir eine Gabe von vier Kapseln für notwendig. Darüber hinaus ist dem Präparat eine ausreichende Menge Vitamin E, Vitamin B Komplex und Zink/Magnesium/Selen/Eisen beigemischt. Da die Kapsel auf Fischproteinbasis (Gelatine OHNE Schwein) basiert, ist sie auch für Menschen geeignet, denen der Konsum von Schweinefleisch aus religiösen Gründen missfällt. Natürlich können Sie aber auch andere, ggf. von Ihnen bevorzugte, Produkte einsetzen.

Sicherheitshinweise

Bitte beachten Sie, dass bei der Anwendung dieser Produkte Vorsicht geboten ist, wenn:

  • eine Fischeiweißallergie besteht (Gefahr eines allergischen Schocks)
  • Sie die empfohlene Dosis deutlich übersteigen (Gefahr von Durchfall und Immunschwäche)

 

Omega-Fettsäuren in gängigen Nahrungsmitteln

In erster Linie sollten Eltern in Beratungsgesprächen dazu angehalten werden, die Ernährung ihrer Kinder zu optimieren. Im klinischen Alltag finden sich aber gerade bei Kindern mit Konzentrationsstörung ungünstige Essgewohnheiten; zwischen äußerst

„mäkeligen“ Essern und Kindern, die sich vor allem von Süßspeisen ernähren finden sich nur wenige Kinder mit angemessenem Ernährungsgewohnheiten.

Sofern keine ausreichende Versorgung mit den essentiellen, langkettigen ungesättigten Fettsäuren (Omega-3) gewährleistet ist, sollten diese substituiert werden, da sie für wesentliche Stoffwechselprozesse benötigt werden.

Gängige Nahrungsmittelquellen für EPA und DHA (Schätzwerte)

Speiseart

Menge

EPA (g)

DHA (g)

Menge, die

1 g EPA + DHA enthält (ca.)

Hering

90 g

1,06

0,75

45 g

Zuchtlachs

90 g

0,86

0,62

70 g

Sardinen

90 g

0,45

0,74

85 g

Lachs

90 g

0,28

0,95

85 g

Austern

90 g

0,75

0,43

85 g

Regenbogenforelle

90 g

0,40

0,44

105 g

Thunfisch, Dose

90 g

0,20

0,54

120 g

Krabben

90 g

0,24

0,10

280 g

 

Stoffwechsel- und neurobiologische Aspekte des Omega-3-Fettsäuren- Haushaltes:

  • Hoher Omega-3-Fettsäure-Anteil in der Nahrung kann Stressresistenz verbessern
  • Stimmungsaufhellende Wirkung von Omega-3-Fettsäuren ist bei Bipolaren Störungen erklärbar durch Protein-C-Kinase-Inhibition
  • In Gegenden mit traditionell hohem Fischkonsum ist das Depressivitätsrisiko deutlich niedriger
  • Früh-/Kindlicher Mangel an Omega-3-Fettsäuren kann durch Hirnentwicklungsschäden zu der Ausprägung einer ADHS oder Schizophrenie beitragen
  • Neuronenschutz durch Omega-3-Fettsäuren: sie bilden die Vorstufe psycho- biologisch hochwirksamer Substanzen, wie Eicosanoiden, Fettsäure-Amiden
  • Omega-3-Fettsäuren dienen als „Katalysatoren“ bei der Bildung von Katechol- und Indolaminen, welche bei Depressionen/ADHS u. a. psychischen Erkrankungen oft nicht ausreichend zur Verfügung stehen oder zu rasch aus dem synaptischen Spalt resorbiert werden
  • Regulation der neuronalen Signaltransmission

In den Beratungsgesprächen hören wir immer wieder, dass Kinder ungern Fisch essen. Da aber besonders hohe Konzentrationen dieser Fettsäuren gerade hierin enthalten sind, ist es in diesen Fällen möglich und sinnvoll diese mittels Kapseln anzubieten.

Die modernen Präparate sind hochgereinigt (Schwermetalle, Pestizide) und desodoriert (Fischgeschmack fast auf Null reduziert). Gerade bei kleineren Firmen ist zudem der Beschaffungsweg überschaubar und belegt. Dies garantiert eine gleichbleibende Qualität des Produktes.

In den USA wurde seitens der FDA (Food and Drug Administration-Behörde) eine Aufnahme von bis zu 3 g/Tag an langkettigen, ungesättigten Omega-3-Fettsäuren (EPA und DHA) als sicher eingestuft. Hierbei sollten Nahrungsmittelquellen wie auch Substitutionsprodukte/Nahrungsergänzungsmittel einbezogen werden.

Als Nebenwirkung kann andernfalls eine erhöhte Blutungsneigung nicht ausgeschlossen werden. Bei immunsupprimierten Menschen (Autoimmunerkrankung, HIV, andere chronische Erkrankungen) ist darüber hinaus an eine Beeinträchtigung der Immunabwehr zu denken, die etwa bei 0,9 g/Tag EPA und 0,6 g/Tag DHA eintreten könnte (konkrete Befunde in vivo stehen noch aus) und gegenüber günstigen Effekten der Fettsäuren abgewogen werden sollte.

Stand: Oktober 2020 Dr. med. Adam Alfed

Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie München